Anmeldungen durch Gebührenbeauftragte nicht zulässig

Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab einem Kläger recht, der durch einen Gebührenbeauftragten Zwangsangemeldet wurde.
Das von einem Beauftragten der Rundfunkanstalt ausgefüllte Anmeldeformular ist keine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 Abs. 1 ZPO (a.A. VG Mainz, Urteil vom 6.5.1999 – 7 K 2014/98.MZ -, NVwZ 2000, 228).
Es erbringt daher keinen vollen Beweis über die darin beurkundeten Wahrnehmungen des Beauftragten.

* * * VERWALTUNGSGERICHT STUTTGART * * *

Im Namen des Volkes

– U r t e i l –

In der Verwaltungsrechtssache wegen Rundfunkgebühren hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2003 durch den Richter am Verwaltungsgericht XXX als Einzelrichter am 29. Oktober 2003 für Recht erkannt:

Der Bescheid des Beklagten vom 4.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.2.2003 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:
Der Beauftragte des Beklagten, Herr G., suchte am 2.4.2002 die Wohnung der Klägerin auf. In dem Besuchsbericht vom 8.4.2002 hielt der Beauftragte fest, er habe ein Fernsehgerät durch die offene Tür vom Flur aus gesehen. Das Gerät sei in Betrieb gewesen. Da lediglich die schlecht (deutsch) sprechende Mutter der Klägerin anwesend gewesen sei, habe er seine Visitenkarte dagelassen. Die Klägerin selbst habe bei ihm abends angerufen und erklärt, sie habe keinen Fernseher. Unter demselben Datum füllte der Beauftragte für die Klägerin ein Anmeldeformular aus; an der für die Unterschrift des Rundfunkteilnehmers vorgesehenen Stelle trug er „Besuchsbericht“ ein.

Der Klägerin wurde daraufhin von der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – GEZ – eine Zahlungsaufforderung für rückständige Rundfunkgebühren von Januar 2002 bis Mai 2002 in Höhe von 80,75 € übersandt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte darauf unter dem 27.5.2002, seine Mandantin habe keine Rundfunkgeräte angemeldet; sie besitze weder ein Radio noch ein Fernsehgerät.

Mit Gebührenbescheid vom 4.9.2002 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum von Januar bis Mai 2002 in Höhe von 80,75 € fest. Mit Anwaltsschriftsatz vom 8.10.2002 ließ die Klägerin dagegen Widerspruch erheben. Mit Widerspruchsbescheid vom 4.2.2003 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin insofern ab, als im Gebührenbescheid Rundfunkgebühren für den Zeitraum von Januar bis März 2002 festgesetzt worden waren. Hieraus ergab sich eine Ermäßigung der Gebührenforderung auf 32,30 €. Der Widerspruchsbescheid wurde am 18.2.2003 zugestellt.

Am 18.3.2003 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung wird vorgetragen, die Klägerin habe erst seit 1.3.2003 ein Fernsehgerät in ihrer Wohnung angemeldet. Im streitgegenständlichen Zeitraum von April bis Mai 2002 sei kein Fernsehgerät in der Wohnung aufgestellt gewesen.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 4.9.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.2.2003 aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt zur Begründung vor, die Gebührenpflicht entstehe, wenn ein Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten werde. Unerheblich sei, ob und wann die Klägerin das Rundfunkgerät angemeldet habe. Die Klägerin habe ein Fernsehgerät zumindest seit April 2002 bereitgehalten. Dies ergebe sich aus dem vom Gebührenbeauftragten unterzeichneten Formular vom 8.4.2002. Dieses sei eine öffentliche Urkunde, die vollen Beweis über den beurkundeten Vorgang erbringe. Darüber hinaus sei zu vermuten, dass der in dem Formular beurkundete Vorgang auch inhaltlich richtig sei. Die von der Klägerin geltend gemachten Einwände gegen die inhaltliche Richtigkeit des Anmeldeformulars seien nicht geeignet, die Beweiskraft der Urkunde zu entkräften.

Der Verwaltungsrechtsstreit ist durch Beschluss vom 19.9.2003 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

Die beabsichtigte Ladung des Beauftragten des Beklagten zum Termin zur mündlichen Verhandlung war nicht möglich, da dieser am 18.7.2003 verstorben ist.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 4.9.2002 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.2.2003) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Rundfunkgebühren ist § 2 Abs. 2 des als Landesgesetz in Kraft gesetzten Rundfunkgebührenstaatsvertrags – RGebStV – (Art. 4 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.8.1991, GBl. S. 745). Danach hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelung des § 5 für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgeräts jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Dabei hat der Beklagte die Tatsachen zu beweisen, die die Gebührenpflicht begründen. Dies ergibt sich aus der allgemeinen Beweislastregel, nach der die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten des Beteiligten geht, der aus ihr eine günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. hierzu Kopp, VwGO, 12. Auflage, § 108, Rdnr. 13 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist eine Gebührenpflicht der Klägerin für das Bereithalten eines Fernsehgeräts in dem im Bescheid festgelegten Zeitraum nicht entstanden. Denn dem Beklagten ist es nicht gelungen, die hierfür maßgeblichen Tatsachen, nämlich das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts durch die Klägerin, zu beweisen.

Der Beklagte stützt sich insoweit auf das vom Beauftragten der Rundfunkanstalt am 8.4.2002 ausgefüllte Anmeldeformular sowie den zugehörigen Besuchsbericht vom selben Tage. Zwar handelt es sich insoweit jeweils um Urkunden, d.h. durch Niederschrift verkörperte Gedankenerklärungen, die geeignet sind, Beweis für streitiges Parteivorbringen zu erbringen. Die – zwischen den Beteiligten streitige – Tatsache, die Klägerin habe im Zeitraum von April bis Mai 2002 ein Rundfunkempfangsgerät bereitgehalten, ist damit aber nicht erwiesen.

Mit den o.g. Urkunden kann der Beweis erbracht werden, dass der Beauftragte der Rundfunkanstalt die darin festgehaltenen Eintragungen gemacht hat (vgl. §§ 98 VwGO, 416 ZPO). Ein darüber hinausgehender Beweiswert könnte diesen Urkunden nur dann zugemessen werden, wenn es sich um öffentliche Urkunden i.S.d. § 415 Abs. 1 ZPO handelte. Eine öffentliche Urkunde erbringt nämlich unter Ausschluss richterlicher Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) vollen Beweis für die Abgabe der beurkundeten Erklärung (§§ 415 Abs. 1, 417 ZPO) bzw. der beurkundeten Wahrnehmung oder Handlung der Behörde (§ 418 ZPO). Das Anmeldeformular und der zugehörige Besuchsbericht sind indes keine öffentlichen Urkunden (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 6.4.1998 – 3 K 2250/97 -; a.A. VG Mainz, Urteil vom 6.5.1999 – 7 K 2014/98 -, NVwZ 2000, 228). Als öffentliche Urkunden gelten gem. § 415 Abs. 1 ZPO nur solche Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind. Der Beauftragte des Beklagten ist zunächst keine mit öffentlichem Glauben versehene Person i.S.d. § 415 ZPO. Denn hierunter fallen nur solche Personen, die, wie etwa Notare oder Urkundsbeamte, durch staatliche Ermächtigung zur Beurkundung bestellt sind (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Auflage, RNr. 5 zu § 415). Der Beauftragte des Beklagten ist auch keine Behörde im Sinne des § 415 Abs. 1 ZPO. Zwar hat die beklagte Rundfunkanstalt als Anstalt des öffentlichen Rechts kraft Gesetzes hoheitliche Befugnisse (etwa die Erhebung und Vollstreckung von Gebühren, vgl. § 7 RGebStV); ihr Behördencharakter steht daher nicht in Frage. Der Beauftragte des Beklagten gehört aber als freiberuflich Tätiger nicht der Rundfunkanstalt an; er konnte daher auch nicht mit Wirkung für die Rundfunkanstalt handeln. Der Beauftragte ist auch nicht als Beliehener mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Das wäre nur dann der Fall, wenn ihm durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes öffentlich-rechtliche Befugnisse übertragen worden wären (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, RNr. 58 zu § 1; BVerwG, Urteil vom 18.5.1995 – 7 C 58.94 -, BVerwGE 98, 273). Das ist nicht der Fall. Zwar ist in § 10 der Satzung des Beklagten bestimmt, dass die Beauftragten berechtigt sind, für den Südwestrundfunk die gesetzlich bestimmten Auskünfte zu verlangen und Anzeigen gem. § 3 Abs. 1 RGebStV entgegenzunehmen. Selbst wenn damit den Beauftragten hoheitliche Befugnisse übertragen worden sein sollten, fehlte es an der hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Aus der Bestimmung des § 4 Abs. 7 RGebStV, wonach die Landesrundfunkanstalten u.a. ermächtigt werden, Einzelheiten des Anzeigeverfahrens durch Satzung zu regeln, kann mangels Konkretisierung keine Befugnis des Südwestrundfunks zur Übertragung von Hoheitsrechten auf Private abgeleitet werden.

Danach handelt es sich bei dem Anmeldeformular und dem zugehörigen Besuchsbericht des Beauftragten um Privaturkunden i.S.d. § 416 ZPO. Als solche sind sie zwar als gewichtiges Indiz dafür zu werten, dass die schriftlich aufgezeichnete Wahrnehmung des Beauftragten, er habe in der Wohnung der Klägerin ein Fernsehgerät gesehen, zutrifft. Das Gericht konnte aber nicht die volle richterliche Überzeugung davon gewinnen, dass es tatsächlich objektiv so gewesen ist. Insbesondere kann ein Irrtum des Beauftragten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Vom Beauftragten ist nichts Näheres zu Art, Marke, Größe und Standort des Geräts vorgetragen worden. Auch sonst sind keine Umstände genannt worden, die einen Rückschluss auf die Zuverlässigkeit der Beobachtung zulassen. Hinzu kommt folgendes: Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, der Beauftragte habe möglicherweise den laut laufenden Fernseher ihrer Nachbarin, einer älteren schwerhörigen Frau, für den ihrigen gehalten. Diese Vermutung ist nicht völlig abwegig. Das Gericht berücksichtigt dabei, dass eigene Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen zuweilen nicht genau auseinander gehalten werden. Ob die Klägerin im April/Mai 2002 ein Rundfunkempfangsgerät bereitgehalten hat, lässt sich nach alledem nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts scheidet aus, da keine sonstigen Beweismittel vorhanden sind. Der Beauftragte ist zwischenzeitlich verstorben. Die beim Besuch des Beauftragten anwesende Mutter der Klägerin lebt mit unbekannter Adresse im Ausland und steht daher ebenfalls nicht als Zeugin zur Verfügung. Es besteht daher eine non-liquet-Lage, die – wie oben ausgeführt – zu Lasten des Beklagten geht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen der §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen.

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